Staatsminister Jürgen Banzer ging in seiner Festansprache auf den 60. Jahrestag der Charta der deutschen Heimatvertriebenen ein und zitierte den wichtigsten Satz der Charta: „Wir Heimatvertriebene verzichten auf Rache und Vergeltung. Dieser Entschluss ist uns ernst und heilig im Gedenken an das unendliche Leid, welches im besonderen das letzte Jahrzehnt über die Menschheit gebracht hat“. Er sei tief dankbar, dass man die deutsche Geschichte in den letzten 65 Jahren an friedlichen Dingen festmachen könne, so das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, das nordatlantische Bündnis, den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag, die Entscheidung für die Europäische Union und die deutsche Einheit. Zu diesen Ereignissen gehöre auch der 5. August 1950 mit der Charta der deutschen Heimatvertriebenen. Hätten sich die Heimatvertriebenen an diesem Tag für einen anderen Weg entschieden, für einen Weg der Gewalt, sähe Deutschland heute anders aus und hätte eine andere Entwicklung genommen. „Wir alle seien den Schöpfern der Charta zu Dank verpflichtet und allen Heimatvertriebenen, die diese Charta damals akzeptiert und unterstützt haben“.
Schaue man zurück, so habe Deutschland zu diesem Zeitpunkt am Boden gelegen. Von den 14 Millionen Vertriebenen aus den Ostgebieten seien über 2 Millionen auf der Flucht gestorben. In die Bundesrepublik seien rund 8 Millionen Heimatvertriebene gekommen, in die DDR rund 4 Millionen. Dieser gewaltige Zustrom hätte den Nährboden für eine krisenhafte Situation bilden können. Eine normale und nachvollziehbare menschliche Reaktion wäre die Frage gewesen, „warum haben gerade wir dieses Schicksal erlitten?“ Deswegen könne man stolz sein auf den 5. August 1950 und die Charta, einem der größten deutschen Momente auf der Grundlage einer christlich-kulturellen Identität. Die Öffentlichkeit sei damals vor 60 Jahren verblüfft gewesen und hätte die Aussagen der Charta so nicht erwartet.
Minister Banzer stellte fest, dass die Charta auch eine Chance für die Heimatvertriebenen gewesen sei, sich auf dieses Deutschland einzulassen. Die Heimatvertriebenen hätten am Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit einen überproportionalen Anteil gehabt und es trotzdem geschafft, ihre kulturelle Identität zu erhalten und ihre Wurzeln zu bewahren. „Ich sage danke, dass Sie an die Charta erinnert haben wobei deutlich wird, dass der Verlust der Heimat eine Frage der Menschenrechte ist. Deswegen ist Erinnerung wichtig, denn Geschichte muss sich nicht wiederholen“, so der Minister.
In seiner Festansprache ging der Minister auch auf den 60. Jahrestag des Wiesbadener Abkommens ein. Es sei ein Versöhnungsdokument, dass eine Kollektivschuld und Rachegedanken von beiden Seiten ablehnt und den Wunsch beider Seiten bekundet, in der Tschechoslowakei demokratische Verhältnisse herzustellen und den Sudetendeutschen die Rückkehr in die Heimat zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang wies er darauf hin, dass die Benes-Dekrete noch immer nicht aufgehoben sind. Sie würden der Versöhnung im Wege stehen und Wunden offen halten, die danach rufen würden, endlich verheilen zu können.
Das diesjährige Leitwort des Tages der Heimat „Durch Wahrheit zum Miteinander“ erinnere daran, dass es gegenseitige Akzeptanz, sicheren Frieden und ein nachbarschaftliches Miteinander nur auf der Grundlage der historischen Wahrheit geben könne. Wo der Wille zur Wahrheit fehle, die jeweils unterschiedliche Wahrnehmung zu respektieren, gebe es auf Dauer auch kein gedeihliches Miteinander.
Staatsminister Jürgen Banzer teilte weiter mit, dass ein Kabinettsbeschluss in Vorbereitung sei, einen Kulturpreis zum Thema Heimatvertriebene und Spätaussiedler in Verbindung mit der Charta der deutschen Heimatvertriebenen zu vergeben. Gerade für junge Menschen sei es schwierig, mit Geschichte umzugehen, wenn sie nicht zum Alltag gehöre. Daher sei der 5. August 1950 wichtig für den Geschichtsunterricht und gehöre zur Grundlage der freiheitlich-demokratischen Ordnung in unserem Land.
Ebenso wichtig sei es, die Heimatstuben in ihrer Existenz zu erhalten, wobei man in Hessen schon ein gutes Stück vorangekommen sei. Hierbei komme man nicht drum herum, die Heimatstuben zu einer staatlichen Aufgabe zu machen.
Bei der Spätaussiedlerintegration müsse man weiterhin sensibel vorgehen. Obwohl die Zugänge von Spätaussiedlern stark rückläufig seien, gebe es nach wie vor Eingliederungsprobleme. Der Schwerpunkt der Integrationsbemühungen habe sich inzwischen auf die nachholende Integration verlagert. Deshalb dürfe bei den Integrationsanstrengungen nicht nachgelassen werden.
„Ich danke Ihnen allen für das, was Sie für unsere Gesellschaft gegeben haben und ich danke Ihnen, dass Sie den Tag der Heimat in jedem Jahr begehen“, so Minister Banzer zum Schluss seiner Festansprache.
Der Landesvorsitzende des Bundes der Vertriebenen, Alfred Herold, hatte zu Beginn die Ehrengäste und alle Anwesenden begrüßt. . Er dankte der Hessischen Landesregierung für die Unterstützung des zentralen Tages der Heimat und der 20 weiteren Veranstaltungen auf Kreis- und Ortsebene. Die Charta der deutschen Heimatvertriebenen sei ein zeitloses Dokument, das den Friedensnobelpreis verdient hätte. Die deutschen Heimatvertriebenen seien zu Brückenbauern zu den Menschen im Osten geworden.
Die Landesbeauftragte der Hessischen Landesregierung für Heimatvertrieben und Spätaussiedler, Margarete Ziegler Raschdorf, dankte Herrn Staatsminister Jürgen Banzer für seine Festansprache in Vertretung des Ministerpräsidenten. Der Bund der Vertriebenen habe eine lange und erfolgreiche Tradition in der Durchführung der Tage der Heimat. Die zentrale Veranstaltung in Hessen werde seit dem Jahr 2001 im Biebricher Schloss durchgeführt. Viele Male habe hier Ministerpräsident Roland Koch durch seine Anwesenheit und seine Festansprachen gezeigt, dass er die Anliegen der Heimatvertriebenen zur „Chefsache“ gemacht habe. Sein Einsatz für die Heimatvertriebenen und Spätaussiedler sei nicht hoch genug einzuschätzen und wir alle seien ihm zu großem Dank verpflichtet.
„Die Heimatvertriebenen haben mehr an unserer gemeinsamen Geschichte tragen müssen als die meisten anderen Deutschen. Sie haben es mit Bravour gemeistert. Sie haben ganz wesentlich dazu beigetragen, dass unser Land heute friedensstiftend tätig werden kann. Es gibt viele Gründe, dem Bund der Vertriebenen und den Landsmannschaften zu danken. Ihre Aufbauleistung, ihre Integrationsleistung und ihr fortwährendes gesellschaftliches Engagement – dies alles ist für unser Land von grundlegender und bleibender Bedeutung“, so die Landesbeauftragte Ziegler-Raschdorf.
Grußworte beim Tag der Heimat 2010 sprachen der Landtagspräsident Norbert Kartmann, der Stadtverordnetenvorsteher der Landeshauptstadt Wiesbaden, Wolfgang Nickel und die Stadträtin Dr. Doris Jentsch in Vertretung des Wiesbadener Oberbürgermeisters Dr. Helmut Müller.
Das Programm der Feierstunde wurde vom Wallufer Blasorchester, dem Chor ChorART und den Solisten des Oberstufengymnasiums Hansenberg unter der Leitung von Jochen Doufrain musikalisch umrahmt.
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