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14.12.2010, 10:05 Uhr
Regierungskoalition würdigt Charta der deutschen Heimatvertriebenen im Bundestag
Zu dem von der CDU/CSU-Fraktion und der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag eingebrachten Antrag „60 Jahre Charta der deutschen Heimatvertriebenen – Aussöhnung vollenden“ erklärt BdV-Präsidentin Erika Steinbach MdB:
Mit diesem Antrag setzt die Koalition ein Zeichen der Solidarität mit dem Schicksal der deutschen Flüchtlinge und Heimatvertriebenen und würdigt ihren Anteil am friedlichen Wiederaufbau Deutschlands und Europas. In seiner Zielsetzung begleitet und ergänzt er den Aufbau der Dokumentationsstätte der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ in Berlin und ist hervorragend geeignet, ein Zeichen der Verbundenheit aller Deutschen mit dem Schicksal und der Leistung der Vertriebenen zu setzen.
Für die von Flucht, Vertreibung, Deportation und Lagerhaft Betroffenen ist es tröstlich zu wissen, dass in dem Antrag angesichts des 60. Jubiläums der Stuttgarter Charta der deutschen Heimatvertriebenen gefordert wird, dass das gesamte Land Flucht und Vertreibung als Teil seiner Geschichte begreift sowie anerkennt, dass die Vertriebenen die Last der Kriegsschuld in besonderer Weise zu tragen hatten. Besonders freut mich deshalb, dass in dem Antrag die Bundesregierung aufgefordert wird zu prüfen, wie unserem Anliegen, den 5. August zum bundesweiten Gedenktag für die Opfer von Vertreibung zu erheben, Rechnung getragen werden kann.

Zu Recht macht sich der Antrag, die Worte des Bundestagspräsidenten Prof. Norbert Lammert zu Eigen, der während unserer Festveranstaltung zum 60. Jahrestag der Charta in Stuttgart ausführte:

„Die Charta der Heimatvertriebenen aus dem Jahr 1950 gehört zu den Gründungsdokumenten der Bundesrepublik Deutschland, sie ist eine wesentliche Voraussetzung ihrer vielgerühmten Erfolgsgeschichte. Die Charta ist deshalb von historischer Bedeutung, weil sie innenpolitisch radikalen Versuchungen den Boden entzog, außenpolitisch einen Kurs der europäischen Einigung und Versöhnung unter Einbeziehung der mittel- und osteuropäischen Nachbarn vorbereitete und wirtschafts- und gesellschaftspolitisch nicht nur die Integration von Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen, sondern über sie hinaus einen beispiellosen Wirtschaftsaufbau ermöglichte, der weltweit als ‘deutsches Wirtschaftswunder‘ Anerkennung gefunden hat.“

Im Rückblick auf das Gedenkjahr 2010 – 20 Jahre Vereinigung von West- und Mitteldeutschland, also der beiden Staaten in Deutschland – vermissen wir Heimatvertriebenen bei vielen Reden eine ausreichende Würdigung unseres Schicksals und unserer Opferbereitschaft. Gerade vor dem Hintergrund des 60. Jahrestages der Charta der deutschen Heimatvertriebenen hätte es sich bei den „Einheitsfeiern“ angeboten, an das Schicksal der Ostdeutschen aus den Gebieten jenseits von Oder und Neiße zu erinnern. Während Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl 1995 den Beitrag der Vertriebenen noch anerkannte, wurde diese Chance 2010 von der Politik weitestgehend leider vertan.

Durch den 2+4-Vertrag und die Bestätigung der Oder-Neiße-Linie als bundesdeutsche Ost-Grenze wurde ein völkerrechtlicher Schlussstrich gezogen im deutsch-polnischen Verhältnis. Für die Vertriebenen war dies eine sehr schmerzhafte Entscheidung. Erst im Jahre 1990 wurden die Gebiete östlich von Oder und Görlitzer Neiße aus der rechtlichen Zugehörigkeit zu Deutschland entlassen und der polnischen Souveränität unterstellt. Keine Persönlichkeit des politischen Lebens hatte – wohl aufgrund der „Political Correctness“ – den Mut, diese historische Tatsache zu erwähnen. Ebenfalls blieb ungesagt, dass der versprochene Friedensvertrag den 2+4-Verhandlungen geopfert wurde. Schamhaft wurde verschwiegen, dass uns – den Betroffenen – das Selbstbestimmungsrecht und das Recht auf die angestammte Heimat nicht zugebilligt worden ist. Gedankenlos bzw. auf Druck des Auswärtigen Amtes seit Genschers Anweisung wird stets der Begriff Ostdeutschland für Mitteldeutschland missbraucht!

Bei aller Erinnerung an die großartigen Ereignisse um die Vereinigung der beiden Staaten in Deutschland (es war doch keine „Wiedervereinigung aller Teile Deutschlands“) und aller Freude darüber wird leider dieses Opfer der Heimatvertriebenen vergessen.

Das permanente Schweigen zu diesen Fragen zeigt schlechtes Gewissen, Gedankenlosigkeit sowie fehlendes Geschichts- und Unrechtsbewusstsein bei einigen politischen Parteien und staatlichen Organen!